“Traumhafter Urlaub mit kleinen Startschwierigkeiten”

Ich habe als Schülerin an Wochenenden regelmäßig gekellnert, um mir Taschengeld dazu zu verdienen. Lange Zeit arbeitete ich so in diversen Restaurants, in denen ich lernte, wie man Kunden Wünsche von den Augen abliest und was „Der Gast ist König“ bedeutet. Mein Anspruch ist demnach vielleicht ein wenig höher als durchschnittlich, aber in der Schule, durch die das hiesige Personal gegangen zu sein scheint, erkannte ich anfangs kaum die Grundlagen dessen, was zuvorkommenden Service ausmacht. Im Gegenteil: hier hinkte er irgendwie ein wenig hinterher.

Es mag nicht die Schuld des Hotels gewesen sein, dass unser gesamtes Gepäck, das es zwar die mehreren Tausend Kilometer bis Male geschafft hatte, ohne verloren zu gehen, ab dort aber auf einmal nicht weiter mit uns reisen durfte – wegen schlechten Wetters, wie man uns sagte, und der damit verbundenen verminderten Ladekapazität des Wasserflugzeugs, das uns auf die Urlaubsinsel bringen sollte. Aber mit einem Schulterzucken seitens unserer Reisebetreuung am Ankunftsort hatten wir nun auch nicht gerechnet, als es hieß, die Koffer würden erst am Folgetag um 8 Uhr morgens nachgeliefert. Eher hatten wir damit gerechnet, dass man sich etwas einfallen ließe, uns, müde von einer 24-stündigen Reise und ohne die Annehmlichkeiten, uns davon frisch machen zu können, die Ankunft im Hotel dennoch zu versüßen.

Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses, ein erfrischender Cocktail oder wenigstens die Frage, ob man uns etwas Gutes tun könne, hätten schon bei der Ankunft gezeigt, dass einem das Wohl der Gäste am Herzen liegt. Aber dieses Gefühl sollten wir erst ein wenig später vermittelt bekommen. Stattdessen ließ man uns – pragmatisch und streng auf Zuständigkeit bedacht, wie wir das aus Deutschland kennen – wissen, dass das ein Problem der Airline sei. So bezogen wir mit unserem Handgepäck den eigentlich sehr hübschen Bungalow, der auf Stelzen über dem Indischen Ozean thront. Wenn er nun noch blitzsauber gewesen wäre, hätte ich das noch netter gefunden. Darum und um die Tatsache, dass wir eigentlich einen „Sunsetbungalow“ gebucht, aber einen „Sunrisebungalow“ bekommen hatten (auch dies kein Fehler des Hotels, sondern des Reisebüros und somit aus dem Verantwortungsbereich der Betreuung), wollten wir uns allerdings frühestens am Folgetag kümmern.

Für heute waren wir zu müde. So beließen wir es dabei, dem Reisebetreuer 20 Dollar in die Hand zu drücken, der uns daraufhin versprach, sich um das Bungalow-Problem zu kümmern, und gingen in unserer selbst für den Abend viel zu warmen Reisegarderobe zum Abendessen und später in Unterwäsche ins Bett. Zum Glück war von Zahnbürsten und Zahncreme über Shampoo bis zu Bodylotion ausreichend für die Befriedigung hygienischer Bedürfnisse gesorgt! Das erste Wasserflugzeug, das am nächsten Tag auf die Insel zuflog, weckte uns gegen 8 Uhr und verhieß unser Gepäck, das wir sehnlichst erwarteten. Gleichzeitig beschlossen wir, den Tausch eines Bungalows nun doch nicht weiter zu verfolgen: Die Landefläche der Flugzeuge sowie der Anlegesteg für Boote befinden sich auf der Seite der Sunsetbungalows, während diese den Schall der Maschinen von den restlichen, den Sunrisebungalows, hervorragend abhalten. So gesehen hatten wir im Nachhinein betrachtet doch Glück.

Bis auf das stete Surren der Klimaanlagen, das man nach kürzester Zeit nicht mehr wahrnimmt, herrschte eine herrliche Ruhe über den leichten Wellen. Wir warteten eine Weile auf den erlösenden Anruf, der uns über die Ankunft unserer Koffer informieren sollte. Als dieser nach dem dritten gelandeten Flieger noch nicht gekommen war, ergriffen wir die Initiative und riefen die Rezeption an... … wo wir erfuhren, das Gepäck sei leider ins falsche Hotel geflogen worden. Man bemühe sich aber, es per Boot schnellstmöglich zu uns zu bringen. Also eine weitere Mahlzeit in der Kleidung, die wir gestern bereits über Gebühr getragen hatten. Inzwischen stand die Sonne bereits hoch am Himmel und uns lief der Schweiß in Strömen. Nach dem Frühstück suchten wir den Reisebetreuer auf, um nach dem Stand der Dinge zu fragen. Über die verbleibende Zeit, die das Gepäck bis zur Ankunft in unserem Hotel brauchen würde, schieden sich die Geister. Man würde die Koffer aber unverzüglich bringen, sobald sie ankämen. Und was den Bungalow-Wechsel betraf, so wandte sich unser Betreuer an seine Bürokollegin: im Falle einer Stornierung eines anderen Gastes sei das möglich, andernfalls nicht.

Da wir uns bereits umentschieden hatten, ärgerte uns die Tatsache nun nicht, dass „sich darum kümmern“ offenbar lockerer verstanden wurde als wir angenommen hatten. Zumindest vorerst erinnerte das Verhalten ein wenig an die Bürokratie einer Versicherung. Doch immerhin geht es hier darum, es schön zu haben und sorgenfrei Urlaub von eben dieser anstrengenden Bürokratie zu nehmen. Bisher hatten wir allerdings noch nicht einmal eine Entschuldigung gehört. Also versuchten wir, höflich, aber etwas unumwundener, wenigstens eine klitzekleine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten und einen halben Urlaubstag herauszuholen, den wir nicht wirklich nutzen konnten, da Badesachen, Schnorchelausrüstung und alles andere Nötige in den Koffern war. Fast schon auf dem Silbertablett servierten wir dem Betreuer eine adäquate Reaktion, als wir ihn versöhnlich baten, sich doch vielleicht etwas Nettes als Wiedergutmachung auszudenken. Seinem hilflosen Blick entnahmen wir, dass hinsichtlich Reklamationen ein gewisses Schulungs- und / oder Erfahrungs-Defizit zu herrschen scheint. Dass das nicht daran liegt, dass wir etwa überkandidelt oder besonders empfindlich sind, zeigte sich an den beiden anderen Paaren, die mit uns auf die Insel gekommen, dem selben Schicksal ausgeliefert und von der allgemeinen Passivität nicht minder genervt waren.

Erst als wir ihm Beispiele nannten (ein á la Carte-Dinner oder Ähnliches), begann der Reisebetreuer – sichtlich erleichtert – wieder zu atmen und willigte augenblicklich ein. Schon erstaunlich, dass er nicht selbst auf so etwas gekommen war. Zur Anlage gehört auch ein großer Pool, den wir mangels Badebekleidung bisher nur passiert hatten. Ob wir uns in den kommenden zwei Wochen dort aufhalten würden, war fraglich, denn keine zehn Meter davon entfernt, wurden gerade neue Bungalows gebaut und das an die Poolanlage angrenzende Sunsetrestaurant restauriert. Das bedeutete: die im nicht gerade günstigen Urlaubspaket enthaltenen Facilities konnten ohne Nerven aus Stahl nicht in vollem Umfang genutzt werden. Die Verantwortung hierfür sahen wir allerdings im Reiseveranstalter, der darüber informiert sein und entsprechende Hinweise gegeben haben sollte. Bauarbeiten müssen ab und an sein, und da das ganze Jahr hindurch Saison auf diesen Inseln ist, wird es immer Gäste geben, die solche Maßnahmen treffen werden. Fragen Sie also unbedingt nach solchen „Kleinigkeiten“, an die man nicht zwingend denkt, wenn man einen Urlaub bucht. [Anmerkung: Zurück in Deutschland erstattete uns das Reiseunternehmen auf Basis einer Bestätigung seitens des Reisebetreuers über die Bauarbeiten schnell und unkompliziert einen Teil des Preises zurück.]

Was den Service rund um das Zimmer betrifft, so herrscht auch hier vorerst eher Nachkommen als Zuvorkommen. Man muss es aber nur wissen, dann ist es auch in Ordnung: Anders als vom Betreuer am Abend verheißen, war nach der täglichen Reinigung des Bungalows nicht automatisch Tee und Zucker nachgefüllt gewesen, den wir abends zuvor konsumiert hatten. Allerdings ließ die Lieferung auf telefonische Nachfrage an der Rezeption keine 5 Minuten auf sich warten. Ebenso schnell bekam ich Bügelutensilien gebracht, um zerknitterte Kleidung glätten zu können, nachdem unsere Koffer mit letztlich 18-stündiger Verspätung endlich angekommen waren. Auch war mit meiner Bitte um Nachschub das Augenmerk auf unser Konsumverhalten offenbar geschärft. An Utensilien zum Teekochen sollte es uns in der Folgezeit kein bisschen mehr mangeln. Nun war ich auf den nächsten Tag gespannt, den der „großen Reinigung“, um die ich den jungen Mann gebeten hatte, der uns Zucker und Tee gebracht und sich auch für die Sauberkeit der Zimmer als Verantwortlicher ausgegeben hatte. Sowohl Staub als auch Spuren von Vorgängern an Badewannenrand, Handtuchhaltern und Telefon mochte ich ungern zwei Wochen lang sehen müssen. Da ich ihm alle Stellen gezeigt hatte, hegte ich nun die Hoffnung, er habe sie sich gemerkt – mit etwas Glück sollte dabei das großzügige Trinkgeld ein wenig nachhelfen. Und was soll ich sagen: was der junge Mann an Eigeninitiative entbehrt hatte, machte er mit Erinnerungsvermögen wieder wett.

Er hatte sich tatsächlich jede einzelne Stelle gemerkt, auf die ich mit dem Finger gezeigt hatte. Allerdings keine Stelle mehr. Da mussten wir also noch einmal ran Letztlich merkten wir einen gewissen Unterschied zu Ländern, in denen Tourismus aktiv und mit allen Mitteln gefördert werden muss wie beispielsweise im nahen Osten. Während man dort auffallend kreativ ist, wenn es um das Wohl der Gäste geht, ist man hier eher reaktiv. Das natürliche Flair dieser wunderschönen Insel, der schneeweiße Sand, das türkise, glasklare Wasser, die Wärme und die Ruhe entschädigen Vieles. Und es scheint, als sei das einigen Angestellten durchaus bewusst An Freundlichkeit – auch das muss erwähnt werden – mangelt es hier allerdings nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Service-, Sicherheits- oder Putzpersonal, dem Management oder Bauarbeitern begegnet. Mit freundlichen Begrüßungen und einem Lächeln, das einem vom ersten Tag an das Gefühl gibt, gern gesehen zu sein, wird großzügig umgegangen. Und hat man einmal mehr als zwei Worte mit jemandem gewechselt, hat man gar das Gefühl, Freunde gefunden zu haben, die einem auch gerne den einen oder anderen Extrawunsch erfüllen. So plauschte ich beispielsweise ein paar Minuten mit einem der Wachmänner am Korallenriff und erzählte ihm beiläufig von meinem Plan, ein paar Muscheln als Geschenk mit nach Hause zu bringen.

Am nächsten Tag passte er mich auf dem Weg zum Abendessen ab und drückte mir strahlend eine ganze Tüte Muscheln in die Hand, die er für mich gesammelt hatte. Gegessen wird in der Regel in einem von zwei Restaurants (eines davon unterlag, wie gesagt, zur Zeit unseres Aufenthalts leider dem Umbau, sodass wir darüber nichts sagen können). Das andere, das sogenannte Nautilus-Restaurant, besteht aus drei pavillonförmigen Gebäuden, die um einen vierten herum angeordnet sind und in dem riesige Buffets aufgebaut sind, die wiederum sowohl vom überwältigenden Umfang als auch der Qualität her keinen Wunsch offen lassen. Eines davon bietet ausschließlich frisches Obst, das einem je nach Wunsch in mundgerechte Stücke geschnitten wird. Auch Vegetarier und Veganer dürften finden, was das Herz begehrt. Nach Möglichkeit und Verfügbarkeit wird serviert, was die Nachbarsinsel (wo Obstplantagen stehen und Hühner und Ziegen für Milch und Eier gehalten werden) und das Meer hergeben. Das Augenmerk liegt merklich auf Tier- und Naturschutz.

Auch werden nicht unnötig viele Plastikflaschen mit Wasser herangekarrt. Das in der sengenden Equatorsonne wichtigste Getränk kommt aus dem Meer und wird so aufbereitet, dass man Wasser aus dem Wasserhahn bedenkenlos trinken kann. Es schmeckt weder salzig, noch ist es gechlort. Am Strand vor dem Restaurant, zwischen Palmen und anderen Bäumen, stehen Tische im Sand, die abends eingedeckt werden, und auf die man gegen einen kleinen Aufpreis ausweichen kann, wenn man romantisch speisen möchte. Als wir am Tag nach unserer Anreise unserem Betreuer ein Entgegenkommen in Form eines Dinners vorgeschlagen hatten, hatten wir an einen dieser hübschen Tische im Sand gedacht: ein Abendessen direkt am Wasser, mit Service am Tisch, sodass wir nicht selbst zum Buffet gehen mussten. Auch mal ganz nett. Was dann tatsächlich folgte, war eine unglaubliche Überraschung, übertraf jede Erwartung und offenbarte das Potential eines formvollendeten Services – in jeder Hinsicht: Man führte uns an ein einsames Stückchen Strand, an dem ein mit Kerzen und gedämpften Lichtern umsäumter Tisch stand. Einige Meter entfernt war eine kleine „Küche“ aufgebaut: Anrichten mit weißen Tischtüchern und ein Grill.

Ein Koch und zwei Kellner begrüßten uns freundlich, während wir an die festlich eingedeckte Tafel geführt wurden. Musik spielte und die Mengen an Besteck ließen erahnen, dass uns weit mehr erwartete, als wir je geahnt hätten. Um dieses unvergessliche Erlebnis kurz zu machen: Man servierte uns ein sieben-gängiges Menü, das unter anderem Hummer enthielt, jeder Gang wurde angesagt und erklärt, der Service unterschied sich nicht von dem eines Sterne-Restaurants und die Qualität jedes einzelnen Ganges war umwerfend. Wir konnten den Wert eines solchen, sogenannten „Private Dinners“ herausfinden, das für 135 USD pro Person gebucht werden kann, und in Deutschland zu diesem Preis sicherlich nicht zu haben wäre. Wer sich hier also einen Luxusabend auf Sterneniveau gönnen möchte, sollte sich dieses Erlebnis in jedem Fall einmal leisten. Für die Abende bietet das Personal täglich wechselnde Programme von Live-Musik über Zaubershows, Krabbenrennen, Karaoke, Disco etc. bis hin zu Filmabenden. Die Darsteller und Gastgeber sind allesamt Angestellte des Hotels, von den Bootsführern bis zum Rezeptionspersonal, die ihre verborgenen Talente der Abendunterhaltung zur Verfügung stellen.

Tagsüber stehen die meisten Angestellten immer gerne für einen Plausch und Informationen zu Land und Leuten zur Verfügung. Wir hatten den Eindruck, sie würden es regelrecht genießen, sich ab und an auszutauschen. Immerhin ist es eine sehr kleine Insel. Sehr schnell ist sie auch umrundet oder durchwandert. Entweder läuft man am Strand entlang um die gesamte Anlage oder auf einem an den Bungalows vorbei führenden Weg durch den schattigen Palmen-Park. Die Anlage ist wunderschön angelegt und lässt keinen Zweifel daran, dass der Inhaber Blumenliebhaber ist. Wer die Gärten unter Wasser bevorzugt, wird ebenfalls nicht enttäuscht. Neben dem Hausriff stehen auch die Wasserbungalows über weitläufigen Korallenfeldern, über die man hinweg schnorcheln kann. Das Wasser ist dort seicht genug, um gut darin stehen zu können, sollte einem zwischendurch Sand in die Flossen geraten sein. Die Strömung um die Wasserbungalows ist allerdings nicht für schlechte Schwimmer geeignet. Und für all jene, die trotz der wunderschönen Natur, der Ruhe und Sonne das Büro vermissen, steht im Bereich der Nautilus-Bar kostenloses W-Lan zur Verfügung. Für einen Aufpreis bekommt man einen W-Lan-Zugang auch auf dem Zimmer. Noch ein Tipp: Regelmäßig finden Sie Einladungen vom Management in Ihrem Zimmer. Mangels Briefkasten werden sie unter der Türe durch geschoben. Dahinter verbirgt sich jeweils ein kleiner Umtrunk an der Bar, bei der das Hotel zu einem Getränk und Häppchen einlädt – einfach so.

Ab und an gibt es auch etwas zu feiern. So kamen wir beispielsweise u. A. in den Genuss, den 16. Geburtstag des Hotels mit feiern zu können, dessen Party sich ebenfalls hinter einer der beinahe unscheinbaren Einladungen seitens des Managements verbarg. So verbrachten wir letztlich zwei wunderschöne, erholsame Wochen mit reizenden Bekanntschaften auf der kleinen Vilu-Reef-Insel, machten Fotos wie man sie nur aus Katalogen kennt und reisten nur äußerst unwillig wieder ab. Die letzte – rührende – Überraschung erwartete uns am Abreisetag: Da es bei unserer Ankunft in Strömen geregnet hatte, war das hiesige Ankunftsritual für uns buchstäblich ins Wasser gefallen. Gewöhnlich werden Gäste am Anlegesteg empfangen, mit Trommeln zur Rezeption begleitet und mit einem Blumenkranz begrüßt. Zwei Angestellte, mit denen wir in der Zeit unseres Aufenthaltes öfter geplaudert hatten, hatten das wohl mitbekommen und sich eine kleine Überraschung ausgedacht: Sie hatten organisiert, dass das Ankunftsritual für uns ausnahmsweise zum Abschiedsritual umfunktioniert und auf dem Weg hin zum Bootssteg nachgeholt wurde.

So bekamen wir Blumenkränze zum Abschied um den Hals gelegt und wurden mit Trommeln zum Boot begleitet. Und sollten wir wieder einmal Lust auf einen Urlaub mit herrlichem Nichtstun bekommen, steht Vilu Reef sicherlich wieder mit auf der Liste möglichlicher Ziele. Unsere Verwandtschaft haben wir zumindest schon einmal hingeschickt.